Zuhörer schwelgen im Geigenklang
Von Klaus P. Andrießen
Weilburg. Unter großem Beifall haben die Weilburger Schlosskonzerte unter blauem Himmel ihre Saison eröffnet. Was Solist Tobias Feldmann und das Staatsorchester Rheinische Philharmonie mit Dirigent Benjamin Shwartz dem in großer Zahl angereisten Premierenpublikum am Freitag boten, war ein Abend voll klanglicher Finesse und ergreifender Musikalität. „Von der Moldau bis an den Rhein“ hieß das Motto - die Strecke dazwischen machte Max Bruchs Violinkonzert Nr. 1 g-Moll op. 26 zum begeisternden Erlebnis.

Kaum hatte Intendant Stephan Schreckenberger die Zuhörer begrüßt, ließ die Rheinische Philharmonie bereits die Quellen der Moldau sprudeln, mit denen Bedrich Smetanas (1824-1884) Klassiker „Die Moldau“ (aus dem Zyklus „Mein Vaterland“) den Reigen seiner sechs musikalischen Szenen über den großen Strom eröffnet. Zauberhaft klingen dabei die Bläser in Verbindung mit wenigen Einsätzen der Triangel, so dass das Orchester mit wenigen Takten bereits sein Publikum ins Hier und Jetzt der Moldau versetzt. Smetanas musikalische Bilder sind weder Lautmalerei noch abstrakte Klangkunst. Deshalb erleben die Zuhörer „Waldjagd“ und „Bauernhochzeit“, mystische Nymphen, rasante Stromschnellen und schließlich den breit dahin fließenden Fluß immer wieder neu, ganz nach ihren eigenen Vorstellungen. Mit großem Applaus lohnen sie die umsichtige und fein differenzierende Arbeit der Musiker auf der Bühne.
Schon kommt Violinist Tobias Feldmann, der vielfache Preisträger, mit seiner vor rund 250 Jahren in Neapel gebauten Geige auf die Bühne. Mit Max Bruchs Violinkonzert beweist er dem Weilburger Publikum, warum ihn der britische „Telegraph“ wegen seiner „hinreißend-makellosen Lyrik“ als „echte Entdeckung“ feierte. Der Solist gibt sich fast zurückhaltend, liefert aber gleichzeitig ein ausgefeiltes Spiel voller Kraft und gestalterischer Tiefe. Sein Ton ist klar und bestimmt, wandelt den Ausdruck mit jeder Anforderung der Partitur. Dabei steht er in regem Kontakt mit dem Dirigenten und dem Orchester, findet leicht seinen Weg zwischen solistischer Brillanz und gemeinschaftlichem Musizieren. Bruchs romantische Musik verzaubert auf diese Weise das Publikum im sehr gut besuchten Renaissancehof. Die Violine klingt mal süß, mal energisch, mal leidend, mal genießend. Besonders im ruhigen und stimmungssatten zweiten Satz, dem Adagio, scheint es, als hielten die Zuhörer vor Staunen den Atem an. Dem kraftvollen und drängenden letzten Satz folgt ein sehr großer Applaus.
Feldmann verabschiedet sich mit einer Zugabe, die wie das Stück zuvor zu den Juwelen der romantischen Musik gehört: Edward Elgars (1857-1934) „Salut d’amour“ (Liebesgrüße) (op. 12), das dieser für seine Ehefrau geschrieben hatte und das zu einer seiner erfolgreichsten Kompositionen geworden ist. Wie begeistert das Publikum von Feldmanns Auftritt war, zeigte sich auch während der Pause: der Solist machte sich über den Renaissancehof auf den Heimweg - und erhielt erneut spontanen Applaus.
Im zweiten Teil des Abends sorgten Orchester und Dirigent mit Robert Schumanns (1810-1856) dritter Symphonie, der „Rheinischen“, für ein wundervolles Musikerlebnis. Viele Zuhörer hatten allerdings nach der Pause zuerst mit Max Bruchs Ouvertüre aus der Oper „Die Loreley“ gerechnet, denn das stand im Abendprogramm. So kam es, dass nach dem ersten Satz der „Rheinischen“ kräftig geklatscht wurde, während die Musiker auf der Bühne still abwarteten, anstatt für den Applaus zu danken. Offenbar, so Geschäftsführerin Miriam Kunz gegenüber dem Weilburger Tageblatt, hatte es eine Kommunikationspanne gegeben.
Dennoch geriet die Aufführung der Schumann’schen Symphonie zu einem ausgesprochen hörenswerten Konzert, das dann spätestens mit der bewegenden Einleitung des zweiten Satzes alle Irritationen beseitigte und schließlich mit lang anhaltendem Applaus gefeiert wurde. Anschließend wandte sich Dirigent Shwartz sichtlich gerührt an das Publikum und kündigte als Zugabe - „wenn es Ihnen nicht zu kalt wird“ - den dritten Akt aus Franz Schuberts (1797-1828) Szenenmusik „Rosamunde“ (op. 797) an. Zu dieser, so zeigt es eine CD des WDR (Rosamunde, Fürstin von Cypern. Konzertantes Hörspiel. Dirigent: Helmuth Froschauer, Capriccio, 2000) gehören die Worte: „Ich bin belohnt da ich mein Werk vollbracht und kehr zurück in meine Hütte.“
Vielfacher Preisträger: der Geiger Tobias Feldmann.
Foto: Klaus Andrießen
Benjamin Shwartz dirigiert das Staatsorchester Rheinische Philharmonie, Solist ist Tobias Feldmann.
Foto: Klaus Andrießen
Die Bläser des Staatsorchesters Rheinische Philharmonie.
Foto: Klaus Andrießen
Benjamin Shwartz dirigiert das Staatsorchester Rheinische Philharmonie.
Foto: Klaus Andrießen