Applaus für Solistin und Orchester
Lea Birringer begeistert die Zuhörer mit Sarasate / Staatsorchester Halle glänzt mit Dvorak
Von Klaus P. Andrießen
Weilburg. Solistische Virtuosität und orchestrale Kraft haben das Gastspiel von Lea Birringer und der Staatskapelle Halle am Freitagabend in Weilburg geprägt. Mit donnerndem, lang anhaltendem Applaus überspielte es das Publikum mühelos, dass die Schlosskirche nur mäßig besetzt war. Wegen des wechselhaften Wetters hatte der Musikabend nicht unter freiem Himmel stattfinden können. Gleichwohl gehört das Gastspiel zu den Perlen der Saison.

Mit Gioachino Rossinis (1792-1868) Ouvertüre zur Oper „Wilhelm Tell“ legte die Staatskapelle Halle unter dem dynamisch agierenden Jose Miguel Esandi das Fundament für den gelungenen Abend. Der Komponist hat für diese Ouvertüre eine ganz besondere Form gewählt, die ein großartiges Panorama der Schweiz entstehen lässt, in der ein Kampf um bürgerliche Freiheiten stattfindet. Zu Beginn intonieren die Celli eine langsame, sangliche Episode, bald darauf braust die Musik auf mit klaren Bläserstimmen und einem voluminösen Schlagwerk. Zufrieden folgte das Publikum den Klangbildern von Ruhe und Dramatik, ließ sich von Englischhorn und Flöte verzaubern, erkannte im Klingeln der Triangel die Glöckchen der Schafe. Dem furiosen Finale folgte reichlich Applaus.
Im roten Kleid kam nun die Solistin auf die Bühne: Lea Birringer, die bereits an weitaus größeren und berühmteren Bühnen als der Weilburger ihr Publikum begeistert hat. Sie bietet - selbstverständlich perfekt begleitet von der Staatskapelle - Pablo de Sarasates (1844-1908) beliebte und oft gespielte „Zigeunerweisen“ op. 20. Und das in einer Interpretation, die ihresgleichen sucht. Zärtliche und kraftvolle Klänge entströmen ihrem Instrument, anmutig bewegt sie sich mal zum Orchester, mal zum Publikum hin. Einem wunderschönen Vibrato folgt eine aberwitzig schnelle Klangkaskade, die Geige jubiliert und brilliert.
Es ist geradezu unglaublich, wie die charmante Solistin ihren Bogen in ultraschnellem Tempo führt und dabei die Saiten auch noch mit dem Finger anschlagen kann. Die Zuhörer lauschen der vielfach ausgezeichneten Violinistin, deren große Karriere mit nichts geringerem als einem Auftritt bei den Berliner Symphonikern begonnen hat. Derzeit lehrt sie übrigens an der Hochschule für Musik Franz Liszt in Weimar. „Bravo“-Rufe und Trampeln auf den Holzdielen der Schlosskirche begleiten den riesigen Applaus, mit dem das Publikum Lea Birringer nach den „Zigeunerweisen“ feiert.
Im Anschluss brilliert die Geigerin mit ihrer wundervollen Interpretation des „Paradepferds aller großen Violinvirtuosen“, wie der „kammerkonzertfuehrer.de“ das Stück „Introduction et Rondo Capriccioso“ op. 28 von Camille Saint-Saens (1835-1921) beschreibt. Träumerisch und sanft setzt die Solistin ein, während das Orchester zurückhaltend den Rahmen andeutet. Und schon drängen perlende Läufe, sangliche Themen und ihre dramatischen Widerparte nach vorn. Wie gebannt folgen die Zuhörer dem klangschönen und äußerst lebhaften Vortrag. Hörgenuss und musikalische Empfindung vom Feinsten füllen die Schlosskirche. Selbstverständlich kennt auch der Beifall für dieses Bravourstück kaum Grenzen: minutenlang sind Rufe, klatschende Hände und trampelnde Füße zu vernehmen. Dieser Applaus hört auch dann noch nicht auf, als Lea Birringer zu erkennen gibt, dass sie eine Zugabe liefern wird.
Endlich ist es still, die Solistin verabschiedet sich mit „Loure“ aus der Partita für Solo-Violine Nr. 3 E-Dur (BWV 1006) von Johann Sebastian Bach (1685-1760). Dieses Bezeichnung sagt sie zwar nicht an, doch ihre Fans erkennen darin das Stück wieder, das sie bereits auf einer CD veröffentlich hat.
Nach der Pause liefert die Staatskapelle Halle mit Antonin Dvoraks (1841-1904) oft gespielter und äußerst hörenswerter Symphonie Nr. 8 G-Dur op. 88 einen weiteren Höhepunkt des Abends. Es ist eine sehr abwechslungsreiche Komposition mit lyrischen und dramatischen Teilen, die sich zu einem imposanten Klanggemälde verdichten. Dvorak wollte damit „ein von meinen anderen Symphonien verschiedenes Werk schreiben“. Wie schön singen die Celli, wie getragen und sehnsüchtig zeigen sich die Holz- und Blechbläser. Die Hallenser spielen so mitreißend, dass die Zuhörer schon nach dem ersten Satz applaudieren. Nachdem sie die weiteren Sätze erlebt haben, brandet ihr Applaus dann erst recht auf. Nach minutenlangem Klatschen gönnt ihnen das Orchester noch eine kleine Zugabe: die virtuose Coda des triumphal endenden vierten Satzes.