Pacini lässt Chopin strahlen
Von Klaus P. Andrießen
Weilburg. Mit Sophie Pacini haben die Weilburger Schlosskonzerte erneut eine Pianistin der internationalen Spitzenklasse präsentiert. Nach dem überschäumenden Beifall für die große Kunst der jungen Musikerin dürften die letzten verfügbaren Plätze für ihr zweites Konzert in Weilburg am 28. Juli heiß begehrt sein. Mit von der Partie war am Samstagabend das Württembergische Kammerorchester Heilbronn, das unter Leitung von Gastdirigent Johannes Klumpp hervorragend musizierte.
Der Auftritt Pacinis war, so Intendant Stephan Schreckenberger, für den zweiten Teil des Abends geplant - so stand es im Programm. Wegen des kühlen Abends werde Frederic Chopins (1810-1849) Klavierkonzert Nr. 1 e-Moll op. 11 aber bereits vor der Pause erklingen. Der Komponist hat das Stück als 20-jähriger geschrieben, laut BR-Klassik inspiriert von seiner ersten Liebe. Agnieszka Schneider schreibt: „Es ist unklar, ob Chopin Konstancja je seine Liebe gestanden hat, bevor er am 2. November 1830 in eine Kutsche stieg, um Polen zu verlassen. Doch er trug bei der Abfahrt einen Ring am Finger und ein Band am Herzen, beides waren Geschenke von ihr.“ (Nachzulesen hier).
Konzentriert wartet die Solistin die einleitenden Takte des Orchesters ab, bevor sie mit prägnantem Anschlag einsteigt in ihre analytische Interpretation Chopins. Sie nimmt die Komposition ernst und entfernt sich in ihrem wundervollen Spiel weit von den oft gehörten aber belanglosen Klangteppichen, die immer wieder aus den Stücken des Komponisten gewebt werden. Hier in Weilburg treten Chopins romantische Tiefe, sein Ausloten von Stimmungen und Empfindungen klar hervor. Sophie Pacini vermag ihrem Flügel Leben einzugeben, dass es eine Freude ist. Es erweist sich als ein Glücksgriff, das Werk vom Orchester in reiner Streicherbesetzung begleiten zu lassen. So findet die Sonderstellung des Soloparts einen eleganten Ausdruck und gleichzeitig werden die feinen Ansätze zur Würdigung des Orchesters erkennbar.
Im zweiten Satz, dem Larghetto, fasziniert die Stille zwischen den Noten. Die Zuhörer lauschen andächtig und begreifen, wie vielen Empfindungen Sophie Pacini in ihrem Spiel nachspürt. Natürlich gehört es zum Flair des Renaissancehofs, dass in den leisen Passagen die Vögel auf den Dächern auf sich aufmerksam machen. Der dritte Satz, das Rondo vivace, gibt in seiner sprühenden Lebendigkeit bereits einen Ausblick auf den zweiten Teil des Abends. Denn Chopin hat das Finale dieses Satzes auf der Basis eines polnischen Tanzes entwickelt. Agnieszka Schneider schreibt: „Der Pianist fährt hier buchstäblich Achterbahn in den rasanten Passagen und den dynamischen Läufen.“ Genau dies verwirklicht Sophie Pacini in Weilburg mit ihrem begnadeten Spiel.
Den anhaltenden Applaus ihres Publikums belohnt sie mit einer Zugabe. Auch hier beweist die Solistin Charakter. Sophie Pacini erklärt mit lebhaften Gesten, warum sie wieder Chopin spielt: „Wir können nicht voneinander lassen.“ Ihre Zuhörer erleben Fantaisie-Impromptu cis-Moll op. 66. Nach diesem weiteren Höhepunkt dauert es lange, bis der Beifall langsam verebbt - mehrmals muss die Pianistin wieder auf die Bühne kommen.
Nach der Pause gewinnen die Heilbronner Streicher ihr Publikum mit ihrer lebhaften Darbietung der Rumänischen Volkstänze von Bela Bartok (1881-1945): In rund sieben Minuten ziehen sechs unterschiedliche Tänze vorüber. Dirigent Johannes Klumpp agiert dabei außerordentlich tänzerisch - übersetzt die Musik in markante Bewegungen und achtet auf präzise Einsätze. Die Heilbronner liefern dazu den spritzigen Klang.
Kaum ist der Applaus vorbei, geht es weiter mit der zauberhaften Streicherserenade Es-Dur op. 6 von Josef Suk (1874-1935), die alle Stimmen des Orchesters mit abwechslungsreichen Melodien in ihrer Schönheit zeigt. Laut William Grim hat Suk die Serenade für seinen Lehrer Antonin Dvorak geschrieben: „Er fand es bedenklich, dass Suk Moll-Tonarten so sehr bevorzugte, dass Dur-Tonarten fast ausgeschlossen waren, und deswegen stellte Dvorak Suk die Aufgabe, ein Werk ausschließlich in Dur-Tonarten zu komponieren. Das Ergebnis war die hinreißende Serenade in Es-Dur.“ Sie kommt bestens beim Publikum an, das mit dem Applaudieren nicht nachlassen will. Dennoch gibt es keine Zugabe mehr - verständlich, da es schon recht frisch geworden ist im Renaissancehof.