Cello-Star gibt Privataudienz
Von Klaus P. Andrießen
Weilburg. Daniel Müller-Schott, einem der gefragtesten Cellisten weltweit, haben die Gäste der Weilburger Schlosskonzerte am Sonntagmorgen direkt auf die Finger gesehen. Sie genossen sein großartiges Spiel und erfuhren von ihm ganz persönliche Dinge. Denn auf der Bühne interviewte Radiomoderatorin Anna Novak den Solisten. Sie hatte ihm einst als Helferin der Schlosskonzerte auf der Weilburger Bühne einen Blumenstrauß überreicht und sagte nun, er sehe noch genauso jung aus wie damals. Das Publikum in der - zu Unrecht nicht ausverkauften - Unteren Orangerie applaudierte begeistert und bekam nach fast zwei Stunden Solo-Spiel sogar noch eine wundervolle Zugabe.

Im ersten Teil der Matinee bot Daniel Müller-Schott Werke, die unterschiedlicher kaum sein konnten: Johann Sebastian Bachs (1685-1750) Suite Nr. 1 G-Dur (BWV 1007) und Zoltan Kodalys (1882-1967) Sonate h-Moll op.8. Das verbindende Element, so Anna Novak, war dabei insbesondere die Art, wie der Solist sich vorbehaltlos in die Werke vertiefte und sie mit seiner brillanten Technik und intensiven Musikalität präsent werden ließ. Die Suite spielte er meist mit geschlossenen Augen. Immer wieder, schon seit frühester Jugend hat er damit gearbeitet, kennt die Noten und braucht keine Partitur. Umso eindrucksvoller erfahren die Zuhörer die Einfachheit der Szene und können sich - oft ebenfalls mit geschlossenen Lidern - ganz auf die Musik einlassen.
Später, im Gespräch mit Anna Novak, erzählt der Cellist, dass er immer wieder Neues in Bachs Werk entdeckt, dass seine Musik für ihn eine stete Quelle der Inspiration sei. Müller-Schotts Instrument wurde von Matteo Goffriller 1727 in Venedig gebaut. Zu derselben Zeit, in der Bach in Deutschland seine Cellosuiten schrieb. Anna Novak gibt eine Frage aus dem Publikum wieder: „Welche Teile mussten seit 1727 erneuert werden?“ Der Musiker berichtet: „In der Barockzeit waren die Instrumente nicht für große Konzertsäle ausgelegt. Der Hals hatte ursprünglich einen anderen Winkel zum Korpus, die Spannung der Saiten war geringer. Man spielte Darmsaiten, heute benutzt man Stahlsaiten. Es gab andere Wirbel und einen anderen Steg. Der Stimmstock, der Decke und Boden zusammenhält, wird alle fünf, sechs Jahre ausgetauscht. So verändert sich das Instrument im Lauf der Zeit.“
Im lockeren Plauderton, mit dem Anna Novak das Gespräch führt, erfahren die Zuhörer weitere interessante Details. So war es der Zufall, der Müller-Schott vor knapp zwanzig Jahren mit dem Instrument zusammenbrachte: „Ich gab in New York ein direkt übertragenes Radiokonzert. Harvey Shapiro, Musikprofessor an der Juilliard School, hörte das, lud mich ein und ließ mich sein Cello ausprobieren.“ Ob es Liebe auf den ersten Ton gewesen sei? „Ja, das war wirklich so. Ich habe es ausgepackt. Weil Shapiro viel Zigarre rauchte, hat es entsprechend gerochen. Ich war bereits von den ersten Tönen unglaublich berührt.“
Ob sich das Cello seitdem verändert habe, fragt die Moderatorin: „Ja. Als ich es bekommen habe, war es sehr rauh im Ton. Über die Jahre hat es Schmelz, Geschmeidigkeit und Feinheit hinzugewonnen. Ich glaube schon, dass man sein Instrument prägen kann.“
Wie wohl alle Zuhörer möchte Anna Novak gerne wissen, wie teuer das gute Stück denn gewesen sei. Der Cellist weicht ein wenig aus, bestätigt aber, dass in solche Instrumente auch investiert wird: „Da geht es um Millionen.“
Wie im Flug vergeht die Zeit. Immer mehr erfahren die Zuhörer über den Musiker und die Musik, sein familiäres Verhältnis zum Cello. Er gibt sogar preis, dass er am Samstag auf dem Weg zu dem ersten seiner beiden Weilburger Konzerte den Bus verpasst hatte - und bepackt mit Cello, Skateboard, Koffer und Tasche durchs heiße Koblenz hetzen musste. Die Moderatorin frotzelt: „Skateboard ist eine nette Umschreibung für eine Sackkarre.“
Nach dem Interview auf der Bühne widmet sich Müller-Schott der Cellosuite Nr. 3 C-Dur (BWV 1009) von Johann Sebastian Bach. Er lässt die Zuhörer spüren, wie tief er in diesem Kosmos verwurzelt ist, wie nuancenreich er Bachs vielschichtige Durchdringung von Spieltechnik und Musik behandelt. Nach diesem großartigen Erlebnis kennt der Applaus keine Grenzen. Immer wieder muss der Künstler auf die Bühne kommen und dankt für den Beifall. Trotz seines enormen Engagements in Weilburg an diesem Wochenende gibt er noch eine Zugabe: eine wundervolle Friedensbotschaft von Pablo Casals mit dem Titel „Gesang der Vögel.“
Cello pur: Mit Daniel Müller-Schott spielt ein Musiker der Weltklasse exklusiv für die Gäste der Weilburger Schlosskonzerte.
Fotos: Klaus Andrießen
Charmante Plauderei und wertvolle Informationen: NDR-Moderatorin Anna Novak interviewt Cellist Daniel Müller-Schott in der Unteren Orangerie, das Publikum hört gespannt zu.